Freitag, 10. Juni 2005

Vergleichen wir mal die Kosten und Nutzen von herrschenden Gesetzen mit dem Wirken von Geboten:

Der Nachrichtensprecher eines privaten Fernsehkanals (SIC) Portugals schien selbst erstaunt zu sein.
Etwa 1.300.000 (in Worten.: eine Million und Dreihunderttausend) anhaengige Gerichtsverfahren liegen bei den portugiesischen Gerichten und Tuerme aus gebuendeltem Schreibpapier bilden Aktenberge, die vom Boden ueber Tische und Gaenge ganze Raeume bis zur Unkenntlichkeit verstopfen.
Stillstand des Rechtssystems?
Und dabei hat Portugal die hoechste Anzahl an Anwaelten pro Einwohner in Europa !
Quelle (portugusiesisch)


Was helfen Rechte wo kein System die Ausuebung ermoeglicht ?
Anders als bei dem Wort "Arbeitslosigkeit" hat sich der Sprachgebrauch noch nicht durchgerungen, von einer "Rechtslosigkeit" seiner Staatsbewohner zu sprechen.
Recht und Arbeit gibt es genug, nur in beiden Faellen steht das "System" regelrecht bessergesagt: regelwidrig im Weg, behindert -oft verhindert- dass Arbeit ausgefuehrt oder Recht gesprochen wird.
Wie konnte das in einer "Demokratie" nur geschehen ?

Was ich System nenne, koennte man ja auch Spielregel nennen oder wie die Juristen sagen: Verfassung. Solche muss verstaendlich sein, damit jeder sie versteht, sich daran halten kann, sei er Buerger oder Richter.

Hier ein anschauliches Beispiel aus der sog. Europaeischen Verfassung :

Titel III, Kapitel I, Abschnitt 1, Artikel III-131

Anschauen ist einfach - aber wer kann behaupten, solche Sprachwolken auch zu verstehen und oder gar nutzen zu koennen ??
Nachzulesen auch bei : Varzil

Wer als Berufspolitiker behaupten wird, er habe ja bloss "im Auftrag" seiner Fraktion, seiner Regierung oder in Absprache und nach Rueckversicherung durch eine namhafte Rechtsberatungsgesellschaft seine Unterschrift unter dieses Dokument gesetzt, ohne vom Inhalt etwas zu verstehen oder verstehen zu muessen, soll wissen, dass ich jetzt bereits ihn auf seine unverfallbare persoenliche Verantwortung hinweise.

Ich nehme mir dafuer die "ungeschriebene Gesellschaftsordnung" zur Grundlage.
Die gibt´s tatsaechlich und wurde erst kuerzlich bemueht:
Verbot des Nacktradelns


Eine solche Art von Gesellschaftsordnung funktioniert manchmal besser als wenn man Horden von Anwaelten und deren Geschaeftsinteressen als Staat zum Opfer faellt oder Berge von Gesetzesbuechern und Gutachtern bemueht.
Beispiel Thailand:
Man sieht in diesem Land, in einem geradezu rechtsfreien Raum, wo Gesetze nur dazu dienen, sich selbst und seinem Land einen westlichen, modernen Anstrich zu geben, wie allein das Wirken eines Koenigs saemtliche Bereiche des Denkens, Fuehlens und Handelns des oeffentlichen Lebens bestimmt. Der thailaendische Koenig ist eben nicht "Mon-Arch" (Allein-Herrscher) denn er herrscht nicht mit Gesetzen, sondern wirkt mit Geboten.

Als die Kolonialmaechte dem Koenig von Siam King Mongut einst vorhielten, er sei solange nicht in ihren Augen legitimiert, bis dass er seine Legitimitaet anhand einer "geschriebenen Verfassung" nachweisen koenne bewies der Thailander seine bewunderungswuerdige Ueberlegenheit.
Er bejahte selbst diese behauptete Notwendigkeit einer "geschriebenen Verfassung" und befahl, die (verschollene) Stele mit der siamesischen Verfassung im Lande zu suchen !

Er, der Koenig, kraft gluecklicher wie wundersamer Fuegung fand 1833 hoechstselbst dieses schon hunderte Jahre lang verschollene Steindokunment.
Es steht zur Zeit im National-Museum Bangkok.
Vom Wesen des Thai Koenigtums
Die Kolonialmaechte waren ausgetrickst !
Gleiches Schicksal erfuhren selbst die Jesuiten, die ansonsten ueberall auf der Welt mit Spitzfindigkeit und messerscharfer Logik unterschiedlichste Rechtssysteme untergraben bzw. ausmerzen konnten. Aber niemals in Thailand.

Andersherum kann man sagen, dass die Roemer ueberall in ihrem Herrschaftsgebiet eine Vergoettlichung ihres Staatsoberhaupts durchsetzen konnten, aber eben nicht in Israel.

Beiden Voelkern gebuehrt daher unser aufrichtiger Respekt !

In unseren Breiten, frueher, galt Stammesrecht bei semitischen, Sippenrecht bei nordeuropaeischen Voelkern. Dieses war auch immer ungeschrieben.
"Auge um Auge, Seele fuer Seele..." klingt zwar brutal scheint mir aber eine bessere Regelung zu sein als Rechtsverzicht oder Toleranzgebot.
Handelt es sich doch um die Forderung nach Versoehnung durch Schadensausgleich !
Solche Grundsaetze sollte jeder Schueler erlernen, um Buergerrechte erwerben zu koennen.

Das Toleranzgebot des Christentums fuehrt hingegen dazu, dass Hauen und Stechen, jeder gegen jeden, das Zusammenleben unmoeglich machen !
Das Gluecklichsein des Menschen (im Sinne des Aristoteles -also ohne Zuhilfenahme einer Kirche -) interessiert die Kirche begreiflicherweise wenig, geht es ihr doch darum, durch Beichte und Ablass eigene Geschaeftsinteressen, Macht und Geldeingaenge, sicherzustellen. Man denke nur an den Ursprung der Jubeljahre !
Kein Wunder, dass der "Allgeimeine Landfrieden" von der Kirche aufs aergste bekaempft wurde.

Wuerde man heute versuchen, dem Unwesen der US-amerikanischen Prozessflutleidenschaft Einhalt zu gebieten, indem man den Klaegern das Prozessrisiko auferlegt, bei erstinstanzlichen Verfahren die Beteiligung von Anwaelten verbietet, und ansonsten die Rechtssprechung in Haende von ausgebildeten Juristen legt und einen "Allgemeinen Landfrieden" erlaesst, dann waere wohl der Aufstand der Anwaelte gross !

Solange wir auch zulassen, dass die Kosten unseres Rechtssystems dem Bruttoinlandsprodukt hinzugerechnet werden, merkt der Steuerzahler garnicht, dass er aermer wird statt reicher, was ihm die Statistiken vorgaukeln !

Wir Deutsche sind ja auch besonders stolz auf unser Grundgesetz obschon es keine echte Verfassung ist und auch nicht so heissen darf.
Nehmen wir mal ein Beispiel:

Artikel 10 GG


Kann mir mal jemand sagen, was hier und ueberhaupt das Wort "unverletzlich" bedeutet?
Stilistisch interessant ! Nennen Rethoriker "Oxymoron" also "scharfsinniger Bloedsinn" und als solches sollte man diesen Artikel auch verstehen und zur Belustigung verwenden, oder etwa nicht ?

Das traefe doch auch den Zeitgeist, in dem wir leben und wann immer wir wollen geniessen:
Die Nationalhymne !
Wir duerfen sie "verunglimpfen" trotz des Symbolwerts ihrer 3. Strophe:

BVerfGE 81, 298


Zwischenfrage: Ist denn unsere Verfassung, sind unsere Gesetze denn auch bloss Symbol ?
Was haben Kirchenleute schon wegen "Symbole" gestritten ! Und ehrlichgestanden sehe ich auch keine andere Moeglichkeit, als unser Tollhaus, das Narrenschiff, in dem wir leben, mit strenger Orthodoxie auszumisten und aufzuraeumen.

Selbst der Gottesdienst verkommt zu einem Spektakel !
Priester und Gottesdienst mal anders: als Clown und Zirkus.... als ob man schadlos Tabus und Normen brechen, heiliges entweihen, ernstes verhoehnen duerfte:

Gottesdienst in New York


Was uns zur Wiederherstellung von Freiheit, Frieden und Wohlstand fuer alle, zur Vermeidung von Aufruestung, Krieg und Terror, fehlt sind fuer jedermann einpraegsame Gebote und ausgebildete Richter.
Was wir nicht gebrauchen koennen sind aus demokratischer Effekthascherei erlassene Gesetze, politisch ins Amt gewaehlte Richter, und schon garnicht Politiker, die Richtern vorschreiben wollen, was Recht und Unrecht ist.

Wir brauchen Anwaelte, Insolvenzverwalter, Staatsanwaelte und staatliche Polizei.
Wir sollten aber in unserer Erfolgsbilanz des Staatshaushalts die Ausgaben und den Zeitaufwand auf die Kostenseite setzen !
Dann moege ein Buchhalter entscheiden, was "verhaeltnismaessig" bedeutsam ist und einer Rechtsfortentwicklung bedarf.

Sonst ergeht es uns allen wie den Portugiesen.
Rechtslosigkeit trotz Schwaermerei und Luftspiegelungen....

Ich bin im uebrigen zuversichtlich, dass wir diese Reform erfolgreich schaffen koennten.
Schlieslich ist unseren Vorfahren schon einmal das Meisterstueck gelungen, Prozessverfahren gegen Haustiere, Schweine, Muecken sogar gegen Maikaefer als blanken Unsinn zu unterlassen !!

Die Logik der Insektenprozesse im Malleus Maleficarum

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