Samstag, 22. April 2006

I. Kant fragt - S.Maimon antwortet

Betrachten will ich folgende Fragen Kants:

Was kann ich wissen? – Erkenntnistheorie
Was soll ich tun? – Ethik
Was darf ich hoffen? – Religionsphilosophie
Was ist der Mensch? – Anthropologie

Wollte ich diese Fragen einem Thailaender uebersetzen und erklaeren, was Immanuel Kant zu tun ja niemals gezwungen war, boete sich mir eine unueberwindbare Schranke:

Die thailaendische Sprache kennt 13 Formen des Ichzen.

Das "Ich" existiert nur in einem Netz von familiaerer und gesellschaftlicher Ordnung !
Ohne Familie gibt´s mICH garnicht !

Wollte ich auf diese Fragen hier in Portugal eine Antwort von den Leuten auf der Strasse oder von den Fabrikbesitzern in ihren Bueros, was Immanuel Kant ja auch niemals versucht hat, dann bekaeme ich regelmaessig erwidert:

"Das weiss ich nicht und geht mich auch nichts an !"
und weiter sagt der Portugiese:
"Sag mir, was Du hoeren oder getan haben willst, welchen Vorteil Du mir versprichst, und ich will sehen was sich machen laesst."

Das "kann/soll/darf/ist" versteht ein Portugiese grundsaetzlich als etwas von Obrigkeit und Schicksal anbefohlenes, eine Art unausweichliche Bescherung.
Der "Mensch" mag ja in Koenigsberg einheitlich sein, der "Mensch" mit dem es Kant zu tun haben wollte, ist es jedenfalls nicht.

Was nun, Herr Kant ?

Fuer mich leicht verstaendlich und vor allem brauchbar sind die Antworten, die uns ein grossartiger Denker gegeben hat.
Selbst Kant hob vor ihm seinen Hut !
(das macht mir den Koenigsberger richtig sympathisch !)

Salomon Maimon (Schlomo ben Joshua) 1753 - 1800
Maimon

Maimon klaert:
"Zweitens nimmt Kant gewisse Thatsachen des gemeinsamen Menschenverstandes an.
Nun aber unterscheidet sich der gemeine von dem durch Wissenschaften kultivierten Menschenverstandes vorzueglich darin, dass diesem der Wahrheit der Erkenntnis an sich,jenem aber an ihrem Gebrauche im praktischen Leben gelegen ist. Ihm gilt eine Taeuschung so gut als eine Wahrhheit, wenn nur die praktischen Folgen von jener mit den praktischen Folgen von dieser uebereinstimmen. So ist es dem Landmann einerlei, ob die Sonne um die Erde oder die Erde um ihre Axe, oder um die Sonne sich bewege; dieses auszumachen, ueberlaesst er dem Astronomen. Ihm liegt bloss daran, dass er mit dem (seiner Vorstellung nach) Sonnenaufgang zur Arbeit aufsteht und in gehoeriger Jahreszeit sein Feld bestellt.
Dem Astronomen hingegen ist es nicht darum zu thun, die Erscheinungen an den Himmelskoerpern bloss als facta zum Gebrauch im gemeinen Leben aufzustellen, sondern aus ihre wahren Gruenden zu erklaeren, und nach allgemeinen Gesetzen zu bestimmen. Er darf also hierin keiner Taeuschung Raum geben.
Nun aber legt Kant seinem Systeme gerade solche Taeuschungen (die die Psychologie aufdeckt) zum Grunde, welches doch nicht geschehen duerfte."


Kritische Untersuchungen ueber den menschlichen Geist oder das hoehere Erkenntnis- und Willensvermoegen
(bitte auf Seite 11/12 vorgehen)
Quelle: POLSKA BIBLIOTEKA INTERNETOWA

Folglich kommt Salomon Maimon zu dem Schluss, dass:
"..der Gebrauch der Kantschen Moral problematisch ist und bleiben wird. Die Aristotelische Ethik beruht zwar nicht auf einem einzigen dazu tauglichen Princip;
aber eben darum ist sie zum praktischen Gebrauch tauglicher als die Kantische."

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