Freitag, 21. April 2006

Pulverfass Portugal AD 1506 und die Bestie (ahnungsloser) Mensch

Das Massaker an juedischen Menschen waehrend jener Ostertage in Lissabon 1506 muss wohl auch in den Augen von Zeitzeugen, selbst in den Augen der koeniglichen Ordnungshueter, grausam gewesen sein.
Schaurige Details beschreiben namhafte portugiesische Literaten (Veroeffentlicht von Nuno Guerreiro in Rua da Judiaria)

Wodurch werden friedliche gottesfuerchtige Menschen schlagartig zu blutruenstigen Bestien ?

Die Gruende sind:
1. Ahnungslosigkeit.
2. Leichtglaeubigkeit
3. Tierische Mordlust im Menschen

Das Pulverfass Portugal enthielt 1506 saemtliche Zutaten, um das Gemenge in den Koepfen der Portugiesen unkontrollierbar zu machen.

Wirtschaftliche Aspekte
Portugal lebte wie zur Steinzeit von der Warenwirtschaft. "Geld" gab's nur in den Staedten - auf dem Lande wurde getauscht.
Der Adel war reich & maechtig wegen Landbesitz aber bettelarm an Bargeld.
Ansonsten lebte der Adel faul und ueberaus eitel ein noch immer feudales Leben mit dem Vorteil, dass Koenig Chef weit weg war und es keine Strassen gab.

In Nordeuropa vollzog sich ein aehnlicher Wandel:
Die Geschaefte der Hanse, der Warentausch, und der Reichtum der Hansestaedte wurde allmaehlich abgeloest von den Finanzmetropolen Nuernberg und Augsburg und Finanzgeschaefte der Fugger und Welser bestimmten Politik und Handel.
(Nix Juden - das waren deutschreine Erzkatholiken !)

Lukas Rem, Unterhaendler der Welser-Voehlin Gesellschaft, kam nach Lissabon im Jahr 1504 (und blieb bis 1508) mit dem Auftrag, von Koenig Manuel das Recht zu erhalten, eigene Schiffe an Fahrten nach Asien teilhaben zu lassen und eine Handelsniederlassung in Lissabon gruenden zu duerfen.


Am 1.8.1504 gab Manuel den Augsburgern diese Privilegien und verkaufte damit erstmals sein Monopol am lukrativen Gewuerzhandel.
Was blieb ihm auch anderes uebrig ?
Portugal besass keine Naturschaetze oder Handwerksbetriebe, die Produkte herstellten, welche man haette in Fernost eintauschen koennen !
Am 25.5.1505 unter Francisco d´Almeida liefen mit der Flotte des Koenigs auch drei deutsche Schiffe ins Pfefferland aus.

Gleiche Not mit dem neuentdeckten Brasilien !
Hier musste Koenig Manuel im selben Jahr 1504 diesmal einer juedischen Investorengruppe um Fernando Noronha und Gaspar de Lemos (dieser Name wird in einem meiner kuenftigen Beitraege zu den Salons im Berlin der Romantik wieder auftauchen) das Monopol fuer den Export/Verkauf des Brasil-Holzes aus "Brasilien" verkaufen.
Zunaechst nur fuer 3 Jahre, dann nochmals 3, dann nochmals 3.....

Manuels "Geld" verlor indessen stetig an Wert, da half auch keine Muenzreform und keine Wechselkursgesetze.
Memoria da moeda portuguesa

Es gab z.B. 1480 in Portugal "Blanke Groschen" (Tostôes Brancos) von denen selbst der Historiker nicht sagen kann, was es damit auf sich hatte.
Quelle: Memoria da moeda..

Meine Erklaerung ist folgende:
Nicht nur um eine bestehende Nachfrage des portugiesischen Adels nach Geschmeide und Schmuck zu befriedigen, sondern auch fuer die Vergoldungen des Manuelinischen Bauwahns, liessen die zumeist juedischen Goldschmiede die vorhandenen Goldmuenzen einschmelzen:
Quelle: Memorias da moeda...

Das Ergebnis ist offensichtlich:
In Portugal des Jahres 1506 herrschte eine Deflation von ungeheurem Ausmass, Not und Seuchen allenthalben (Seuchen aber keine Beulen-"pest"), Missernten, Arbeitslose, sinnlose menschliche Opfer auf Seereisen in ferne Laender.

Derweil sah der "kleine Mann" in Lissabons Strassen wie reiche Deutsche absahnten Hand in Hand mit reichen Juden und diese obendrein fuer ihre Goldbestaende im Privatsafe "Blanke Groschen" als Zahlungsmittel in Umlauf brachten und so aus "Nichts" Macht und Reichtum schafften.

Die Macht der Kirche
Seit Untergang des Roemischen Reiches beherrschte die Kirche das Land. Selbst die Westgoten waren nur eine Art Privatarmee der Kirche, Herrscher von kirchlichen Gnaden.

Die Zeit der Araber waren deswegen Jahrhunderte des Reichtums(in jeder Hinsicht) weil die Araber und Juden Handelsbeziehungen mit dem Sudan pflegten und sudanesisches Gold eintauschen und erhalten konnten.
Dieses Gold wurde nicht als Schmuck um den Hals gehaengt (was Germanen mit den roemischen Muenzen taten) auch wurden keine Schaetze gehortet (wie bei die Nibelungen) bei den Arabern gab es eine Geldwirtschaft auf Goldbasis (und Wohlstand fuer alle).
Als die Araber ausgeraubt und vertrieben waren und die letzten tributpflichtigen Fuersten besiegt, fehlten ploetzlich den spanischen und portugiesischen Koenigen die Goldesel, die man schroepfen konnte.

Die Kirche und vorallem den Papst stoerte das alles wenig. Alle Kriege gegen die Araber hatten die Spanier nur begonnen, weil sie beim Papst Schulden hatten und Portugal waere ohne paepstliche Zustimmung nicht unabhaengig geworden bzw. geblieben.
Das alles kostete Berge von Gold (im Boden Spaniens und Portugals noch heute reichlich vorhanden !)

Das paepstliche Leben liess immer ungenierter gestalten.
Mit den Dominikanern als vorzuegliche Betrueger und Angstprediger liessen sich jede Art von finanziellen Daumenschrauben anlegen und dem Volk den Verstand und das Vermoegen rauben.
(Erinnert mich an Drueckerbanden von Anlegerberatern, die ebenso das Paradies versprechen -allerdings im Rentenalter- und den armen Leutchen bare Muenze abknoepfen)
Ueber die Grundsteinlegung des Neubaus des Petersdom habe ich vorgestern geschrieben.

Die Interessen des Koenigs
Manuel I. (der Glueckliche) war daher ueber die Vertreibung der Juden in Spanien hoch erfreut und nahm die Fluechtlinge gerne auf.
Hierueber habe ich bereits in anderem Zusammenhang geschrieben:
Diago Pires trifft David Reubeni

Wenn Ahnungslosigkeit, insbesondere ueber finanzielle Zusammenhaenge, bei Koenig & Kirche bzw. bei Regierung & Gewerkschaften fehlen, herrschen Deflation oder Inflation, entstehen zwangslaeufig Not und Elend, Missernten und "Arbeitslosigkeit", Hass, Neid, und Gewaltpotential.
Wenn zuallem von Priestern die Leichtglaeubigkeit der Menschen gefoerdert wird, damit jeder an Marienerscheinungen, Gluecksspiel , Spekulation und seine persoenliche oder rassistische Schoenheit glaubt, auf seine "Rechte" pocht statt seine Pflichten und Vernunft zu erlernen, dann braut sich ein Unheil zusammen.

Dann fehlt nur ein Anstoss durch teuflische Dominikaner oder andere Terroristen:
Dann mordet die Meute zuerst die Juden und andere Kreditgeber, dann die Bauern und andere Arbeitgeber, dann die Nachbarn und andere Fremdlinge, zuletzt die eigenen Kinder.

Was haben wir seit jenem verhaengnisvollen Tag des Jahres 1506 gelernt ?

Nichts, garnichts.

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gitano - 24. Mai, 11:24

Sollte man diese und andere nachahmenswerten sozialgeschichtlichen Exercitien nicht auch auf dem Markt allgemein zugänglich machen?
In Zeiten, wo jeder kritische Zeitgenosse weiß, daß Wissen eines Sachverhalts sich nicht gehört, sondern höchstens wohlerzogene skeptische Einschätzungen abzuliefern sind, tut es gut, eine ältere Auffassung von Wissenschaft am Werke zu sehen.
Der Obskurantismus älteren Typs schwafelte übrigens in diesen Zusammenhängen gerne vom "Königsmantel der Armut" (Reinhold Schneider), war aber keineswegs als freiwillig sich selbst adelnder Bahnhofspenner bekannt geworden.

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