Sonntag, 2. Oktober 2005

Methuen (1703) = Globalisierung (2005)

Vom Weltreich zum Armenhaus.
Als ob die Welt ein Schlaraffenland waere gingen die Portugiesen mit England ein Handelsabkommen ein, welches aus dem Armenhaus England ein Weltreich machte und aus dem Weltreich Portugal ein Armenhaus.

Benannt nach dem Englaender John Methuen.
Vater des Gedankes war eine Idee, die spaeter David Ricardo, mit 25 Jahren durch Boersenspekulation reich geworden, so reich, dass er sogar auf weitere Spekulationen zeitlebens verzichten konnte, zum Ideal erhob.

Ein vortreffliches Lehrbeispiel !
Fluch und Segen der Liberalisierung von Volkswirtschaften,Fluch und Segen der Privatisierung von Staatspflichten.

Alles erfaehrt man durch das Studium des Vertrages von Methuen.

Kurze Vorgeschichte Portugal:
Der portugiesische Landadelige (vermutlich baskischer Abstammung) Vasco da Gama hatte auf Draengen des Koenigs, Enkel einer Englaenderin, gegen den Widerstand des Adels, welcher die wirtschaftliche Sinnlosigkeit des Unterfangens erahnte, den Seeweg nach Indien entdeckt.
Dank hollaendischer Schiffsbaukunst ("Karavelle" meint den -holl.kraweel- glatten Schiffsrumpf),
Dank juedischer Gelehrter, welche die nautischen Kenntnisse der Araber uebersetzten, lehrten und weiterentwickelt hatten.
Dank der wirklich waghalsigen Entdeckungsfahrten von Bartolomeus Dias und der muslimischen Lotsen Ostafrikas.
Dank auch der Araber und Asiaten, welche nur friedlich Handel trieben und vergessen hatten, Kriegsschiffe zu bauen.

Kurzum, Portugal beherrschte den Welthandel mit Indien, bessergesagt Hinterindien (Indonesien, Malaysia) wo der Pfeffer waechst.
Mit Pfeffer wuerzten die Koeche Europas das ansonsten wegen mangelnder Lagertechniken stets ranzig schmeckende Fleisch. Und die Nachfrage war verstaendlicherweise enorm.

Eine Weltkarte aus Mailand 1508.
Die Karten der Seefahrtsschule in Sagres (Algarve) des Koenigs Heinrich der Seefahrer waren so geheim, dass sie verloren gingen.
copie


Die Umsegelung Suedafrikas ist schwierig wegen der Windverhaeltnisse.
Um stets vor dem Wind zu segeln (mit Rueckenwind) musste man weit ausholen.
Dabei wurde vermutlich Brasilien entdeckt.
Erst spaeter wurde diese Entdeckung dem Portugiesen Pedro Cabral zuerkannt. Aus politischen Gruenden, was ein anderes Thema ist.

Kurzum, Portugal beherrschte den Welthandel:
imperio



Portugal besass Nordafrika.
Portugal besass Bombay.
War Portugal reich ?
Die portugiesischen Koenige glaubten es !
Das Volk bekam davon nichts zu spueren.
Ein Drittel der Schiffsbesatzungen verloren bei jeder Hin-/Rueckreise nach Asien das Leben.

Schulen, Kreativitaet, Handeln, Forschen, Vernunft, Soll und Haben, Strassen, Krankenhaeuser u.v.m. blieb in Portugal unnoetigeund nur Kosten verursachende Nebensache. Nur Beten, Kloester, Palaeste und Traurigkeit wollten die Politiker sehen:
Billige Matrosen.

Ploetzlich hatte Portugal ein Problem:
Es musste/wollte sich von der Beherrschung Spaniens befreien, suchte militaerische Allianzen, und das brachte England in eine beneidensweret guenstige Position.

Als nach Cromwell in England auch wieder das Koenigtum eingerichtet wurde, von den Grossgrundbesitzern, da sah Portugal seine Chance gekommen.
Man hatte die Koenigstochter Katharina von Braganza von Kindesjahren an fuer eine Hochzeit mit dem Koenig Englands erzogen.

Um die Hochzeit perfekt zu machen, schenkte Portugal Tangar (Nordafrika) und Bombay in Indien.
Portugal schenkt England damit das kuenftige Empire !
(und das Tee-trinken der Portugiesin fanden die Englaenderinnen auch echt chic !)

Was England noch fehlte war Gold.
Gold als Waehrung, Gold als Garant von Geldwertstabilitaet, Gold als Waehrungsreserve, Gold als Wasser auf die Muehlen einer arbeitsteiligen Industriegesellschafft.

Jetzt kommt der Vertrag von Methuen ins Spiel:

Gegen militaerischen Schutz (gegen Spanien und Frankreich) vonseiten Englands versprach Portugal im Mutterland und in Brasilien eine industrielle Entwicklung zu VERBIETEN !

Dafuer erhielt Portugal "Steuervorteile" im Verkauf von Wein nach England, was scheinbar die franzoesischen Winzer benachteiligte.

Auch wurden englische Haendler eingeladen, sich in Portugal niederzulassen und sie erhielten eine eigene Gerichtsbarkeit.
Der Import aus Englaend war erwartungsgemaess gewaltig und erstickte jede Initiative Portugals.
Nur Weinanbau.
Getreide, Brot, fehlte seither mehr denn je.
Bald musste Portugal die Importe mit Gold bezahlen !
Das hatten die Englaender vorhergesehen (vermute ich) !

Portugal wurde zu einer englischen Provinz.

Das portugieische Gold hat England mitnichten dazu verwendet, fuer irgendwelche Luxusgueter zu verwenden. Es blieb im Land, als Tauschmittel.
Gold ! Dagegen waren die Silberlinge Europas nicht geruestet. (Wenngleich Koelner Banken wie die Herstattbank mit dem Wechsel hinreichend verdienten, um das Ruhrgebiet zu gruenden)

Portugal verarmte weil es an Geldsicherheiten fehlte.
Pfeffer, problemslos haltbar, haette als Deckung zur Geldschoepfung dienen koennen.
Man hat die Einnahmen verprasst, Schloesser gebaut oder nach Rom geschickt.

Gold, problemlos haltbar, haette ebenso als Gelddeckung dienen koennen - doch das verstanden die dummen Politiker damals genausowenig wie heute.
Man verschwendete es und lebte in Saus und Braus.

Und heute ?

Unsere deutsche Facharbeiterausbildung, unser Unternehmergeist, das "Ersinnen" von Neuheiten bei einer Meisterpruefung, die "stategische Allianz" zwischen Arbeiter und Unternehmer, dieses goldwerte Vermoegen einer arbeitsteiligen Gesellschaft wird weggeworfen oder durch eine Mitbestimmung von nur gewerkschaftlich motivierten Dummkoepfen unbrauchbar gemacht.

Die Maschinen dienen den Chinesen auch nicht viel.
Auch viele Maschinen machen keine Volkswirtschaft.

Keine Asiate weiss, ahnt, und strebt nach einem Begreifen, weshalb und wie "man eine Maschine erfindet". Eine Originalitaet verbietet seine Achtung vor dem Althergebrachten, vor dem eigenen Lehrmeister, nur eine Kopie empfindet sein gesellschaftliches Umfeld als "anstaendig" (und mitnichten als geistigen Diebstahl wie westliche Normen)

Wenn Europa glaubt, durch einen Freihandel mit China langfristig irgendetwas zu "gewinnen" dann begeht es denselben Denkfehler, den Portugal beging.

Das Gesetz des Handels verlangt:
Werte wie Maschinen, Gold, Arbeiter, Unternehmer und Wissenschaftler muss man behalten und reich entlohnen.
Import von Konsumguetern muss man kontrollieren/beschraenken.


Es sei denn, die europaeischen Arbeiter mit ihren macht- und geldhungrigen Politikern, welche Treue und Anstand selbst in den eigenen Familien abgelegt haben, wollen die Armut als katholisches/europaeisches Ideal in der EU-Verfassung verankern, wo Besserung nur nach dem Tode erhofft werden kann.

Die "Englaender" von damals zur Zeit von Methuen sind heute die wenigen Investorengesellschaften.

Die "Portugiesen" von damals sind die ahnungslosen Europaer, die ihre Waehrungen, Arbeiter, Patente, und Nationaloekonomien dahintreiben lassen, verkommen, verwahrlost, wertlos wie Strandgut, blind und eitel, hagestolz und eingebildet, und immer in der Vorstellung "wir sind die Herrscher" die anderen sind die Dritte Welt, die Ungeziefer, die Heuschrecken.

Portugal hat es hinter sich.
Von der Weltmacht zum Armenhaus.

Quellen:
1. Bundestag zum Freihandel
2. Katharina v. Braganza und die Geschichte Englands
3. Deutsche Botschaft Brasilien
4. David Ricardo

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